Lithographie

Die Erfindung der Lithographie

1799 stirbt Karl Theodor, Kurfürst von der Pfalz und von Bayern aus der Wittelsbacher Linie Pfalz-Sulzbach, in München ohne legitime Nachfahren. Der Pfalz-Zweibrücker Herzog Maximilian Joseph – Bruder des 1795 verstorbenen Karl II. August – tritt die Nachfolge an und übersiedelt mit dem Hof aus dem Mannheimer Exil nach München. Mannlich, der in der unverbrüchlichen Gunst seiner Herzöge steht, erhält die umfassende Aufgabe eines pfalz-bayerischen Zentralgaleriedirektors; in seinen ersten Münchner Jahren besteht diese vornehmlich in der Zusammenführung der Galerien von München, Mannheim, Düsseldorf und Zweibrücken-Karlsberg.

In München arbeitet im letzten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts der ursprünglich als dramatischer Dichter und Schauspieler agierende Alois Senefelder an der Entwicklung eines Verfahrens, mit Steinen zu drucken. Bereits zehn Jahre zuvor hat sich der bayerische Theologe und Professor der Logik und Naturgeschichte Simon Schmidt mit der Steindrucktechnik befasst. Senefelder aber kommt zweifellos das Erstrecht zu, die umfassende Technologie dieses Flachdruckverfahrens von der Entwicklung eigener Tinten und Kreiden, geeigneter Druckpressen sowie der Präparierung des Kalksteins zur Kehlheimer Platte bis zur industriellen Umsetzung vorangetrieben zu haben. Mit dem Musiker Franz Gleißner gründet er die erste lithographische Anstalt, die sich dem Druck von Noten widmet. 1799 erteilt ihm Maximilian Joseph hierfür das Privilegium exclusivum. Im Jahr 1800 legt er dem Patent-Office in London eine Beschreibung seiner Erfindung vor. Die Druckerei „Senefelder, Gleißner & Comp.“ wechselt in den folgenden Jahren den Besitzer und wird im Jahr 1809 von Freiherr von Aretin, dem Direktor der Münchner Zentralbibliothek, an Mannlich verkauft. Mannlich verfolgt interessiert mit Beginn seiner Münchner Jahre die Entwicklung der neuen Technik des Steindrucks und der Künstler in ihm erkennt deren Potential einer eigenen künstlerischen Ausdrucksform.

Das Steindruckverfahren ermöglicht die Herstellung von Bildwerken in größerer Anzahl und hoher Qualität. Mit den erzeugten Lithographien kann zugleich der Bedarf des aufsteigenden Bürgertums nach qualitätsvoller Kunst mit Reproduktionen der Werke großer Meister erfüllt werden, die sonst nur in Galerien und Museen wie in München, Berlin, Rom und Paris zu sehen waren.

Die Lithographie als neue künstlerische Ausdrucksform

An der kurfürstlichen Galerie ist als Zeichner Nepomuk Strixner (1782-1855) tätig, der dort unter anderen seine Ausbildung durch Mannlich erfährt. Seine lithographierten Faksimiles der Dürerschen Randzeichnungen aus dem Gebetbuch Kaisers Maximilian I. sorgen weit über München hinaus für Furore. Vor allem der einflussreiche Goethe nimmt die ihm zugesandten Exemplare mit höchster Begeisterung auf. Mannlich startet jetzt ein künstlerisches Großunternehmen mit dem Titel „Chr. v. Mannlich, Les Œuvres lithographiques. Contenant un choix de dessins d`après les grands maîtres de toutes les écoles, tiré des Musées de sa Majesté le Roy de Bavière”. Unter seiner Anleitung und Auswahl lithographieren seine Schüler Strixner und Ferdinand Piloty d.Ä. (1786 in Homburg/Saar – 1844) zunächst Handzeichnungen, im weiteren Grafiken nach Gemälden aus den reichen Beständen der in München zusammengeführten Wittelsbacher Sammlungen. Von 1811 bis 1816 erscheint das Werk in 72 monatlichen Lieferungen zu jeweils sechs Blättern, was einen Gesamtumfang von 432 Blättern bedeutet, wobei sechzehn Blätter von Mannlich selbst lithographiert werden. Die Auswahl der Vorlagen ist von der „eklektizistischen Weise des Klassizismus“ (Wilhelm Weber, 1961) geprägt mit der Vorliebe auch Mannlichs für die großen Kunstwerke der Vergangenheit.

Begeisterung Goethes

Goethe, mit dem Mannlich in reger Korrespondenz steht, urteilt: „Die Oeuvres Lithographiques sind das für sich selbst bestehende reichste Inkunabelwerk des Steindrucks in der Welt.“ Durch diese hohe Wertschätzung angespornt, unternimmt Mannlich ab 1817 mit der neuen Reproduktionstechnik das Werk „Königlich-Bayerischer Gemäldesaal von München und Schleißheim“ mit einem Umfang von 200 Lithographien. Er führt damit als erster den Bestand einer Galerie in einer Kunstpublikation einem größeren Publikum vor. An diesem Werk ist eine größere Anzahl von Künstlern beteiligt. Neben Strixner und Piloty sind die Deutsch-Italiener Domenico und Lorenz Quaglio, Karl Wilhelm von Heideck, Johann Jakob Dorner, Franz Dahmen und Carl Auer beteiligt. Bereits 1812 veröffentlicht Mannlich einen als poetisch-lithographischen Versuch bezeichneten Band unter dem Namen „Aeskulaps Hahn und Amors vergiftete Fackel“. Er führt damit sein Vogelwerk aus der Zweibrücker- und Karlsbergzeit fort – „Geschöpfe zu malen, welche in der Heiligen Schrift und in der Weltgeschichte auf Vögel Bezug haben“.

Wertschätzung des lithographischen Werkes in Frankreich

Im Jahr 1809 weilt der Generaldirektor aller französischen Museen Dominique Vivant Denon in München. Seine Aufgabe ist die Beschlagnahme wertvoller Kunstgüter im napoleonisch besetzten Europa zu deren Überführung nach Paris – eine Maßnahme, die als eine der groß angelegten staatlich organisierten Kunstraubaktionen der Geschichte zu sehen ist. Mannlich bezeichnet ihn als „oeil en Beaux-Arts“ des Kaisers Napoleon. Denon selbst weist ein großes zeichnerisches Werk auf, u.a. hält er zeichnerisch den Feldzug Napoleons in Ägypten fest. In München begeistert er sich für die neue Steindrucktechnik. Er fertigt dort eine Lithographie an, die die heilige Familie in Ägypten darstellt. Mannlich übernimmt sie später in seine Oeuvres lithographiques als Blatt Nr. 4 der 19. Lieferung. Tatsache ist, dass die Begegnung Mannlichs mit Denon in München für die weitere Entwicklung der Lithographie in Frankreich in mannigfacher Hinsicht befruchtend wirkt. Mannlich selbst wird noch im Jahr 1809 zum korrespondierenden Mitglied des Institut Royal von Frankreich berufen – zusammen mit keinen geringeren als dem Mathematiker Gauss und dem Naturforscher Alexander von Humboldt.

Die Zweibrücker Kulturgut-Stiftung Gehrlein-Fuchs gibt in ihren Räumen einen repräsentativen Überblick über das lithographische Schaffen Mannlichs, seiner Schüler, Mitarbeiter und Freunde der Münchner Jahre. Zu verdanken ist diese umfangreiche Sammlung der engagierten und akribisch suchenden Sammlertätigkeit des Stiftungsvorsitzenden, Herrn Professor Dr. Harald Lehmann.